Herausforderung Arbeitsmarktintegration: Wenn Flüchtlinge Arbeitskollegen werden sollen
Foto: Strasser

Herausforderung Arbeitsmarktintegration: Wenn Flüchtlinge Arbeitskollegen werden sollen

„Keine Abschiebung für integrierten Flüchtlingskollegen!“: Unter diesem Motto haben rund 120 Mitarbeiter der Firma Strasser Bauunternehmung GmbH aus Winhöring, Landkreis Altötting, für den Verbleib ihres afghanischen Kollegen Tavus Qurban in Deutschland demonstriert. Dessen Asylantrag hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) abgelehnt, die Arbeitserlaubnis aufgehoben und Qurban aufgefordert, die Bundesrepublik zu verlassen. blick klärt, wie die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen derzeit aussieht.

Der Fall Tavus Qurban hat in Südostoberbayern und auf Facebook hohe Wellen geschlagen: Der Afghane ist 2010 ohne Geburtsurkunde in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Bei Nichtbesitz eines gültigen Passes oder Passersatzes sind Betroffene verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken, erläutert das Landratsamt Altötting. Dieser Mitwirkungspflicht sei nicht nachgekommen worden.

Seinem Arbeitgeber Strasser zufolge sei Qurban seit April 2012 ohne Unterbrechung als Bauarbeiter für das Unternehmen tätig. „Engagiert, stets arbeitswillig und mit großem Fleiß hat er seitdem Deutsch gelernt und sich gut eingearbeitet“, erklärt Strasser. Qurban sei „voll im Unternehmen integriert“ und „bezahlt seine eigene Mietwohnung, führt Steuern und Krankenversicherung ab, so wie jeder andere berufstätige deutsche Mitbürger“. Selbst wenn er keinen deutschen Pass erhalte, wolle er „nie mehr“ nach Afghanistan zurück, denn seine ganze Familie sei inzwischen geflohen, ein Großteil fand in Australien eine neue Heimat.

Dennoch konstatiert das Landratsamt: „Wir können die Bemühungen der Firma Strasser, um eine Verlängerung der Arbeitserlaubnis des Betroffenen zu erreichen, sehr wohl nachvollziehen, weisen jedoch auch darauf hin, dass die Ausländerbehörde in diesem Fall keinerlei Ermessensspielraum hat.“ Aktuell ist Qurban jedenfalls weiter bei Strasser beschäftigt. Und selbst der hiesige CSU-Bundestagsabgeordnete Stephan Meyer hat „darauf hingewiesen, dass es doch allemal besser sei, wenn dieser offensichtlich sehr engagierte Mann weiter arbeiten kann.“

Arbeitsmarktzugang

Rechtlich gesehen regeln das Asylgesetz (AsylG), das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und die Beschäftigungsverordnung (BeschV) den Arbeitsmarktzugang von Ausländern. Das Aufenthaltsgesetz ordnet Einreise, Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und Integration, ermöglicht und gestaltet somit die Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland.

Im Wesentlichen bedürfen Ausländer für Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels. Ausländer dürfen nur beschäftigt oder mit anderen entgeltlichen Dienst- oder Werkleistungen beauftragt werden, wenn der Aufenthaltstitel, etwa ein Visum, sie dazu berechtigt. Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel sind in der Regel, dass Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind, die Passpflicht erfüllt wird, kein Ausweisungsinteresse besteht, der Aufenthalt keine Interessen der Bundesrepublik beeinträchtigt oder gefährdet und der Lebensunterhalt gesichert ist.

Status von Flüchtlingen

Im juristischen Sinn sind Flüchtlinge Personen, die nach einem erfolgreichen Asylverfahren Schutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention erhalten. Behördlicherseits werden vier verschiedene Personenkreise unterschieden:

  • Asylsuchende sind eingereist und registriert. Sie erhalten eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende (BüMA)“ und haben noch keinen Asylantrag beim BAMF gestellt. Mit ihrem Ankunftsnachweis können sie sich in Deutschland aufhalten und staatliche Leistungen wie medizinische Hilfe, Verpflegung und Wohnraum in Anspruch nehmen. Arbeiten dürfen sie nicht.
  • Asylbewerber haben einen Asylantrag beim BAMF gestellt. Sie sind Inhaber einer Aufenthaltsgestattung, befinden sich im laufenden Asylverfahren, dürfen frühestens drei Monate nach ihrer Registrierung eine Beschäftigung oder betriebliche Berufsausbildung aufnehmen, erhalten jedoch in der Regel keine Erlaubnis auf Beschäftigung, wenn sie aus einem sicheren Herkunftsstaat kommen. Asylbewerber werden dabei in drei Gruppen unterschieden: Asylbewerber, die mit einem Aufenthaltstitel einreisen – bei ihnen beginnt die Dreimonatsfrist ab Äußerung des Asylgesuchs, beispielsweise gegenüber der Grenz- oder der Ausländerbehörde. Asylbewerber, die ohne Aufenthaltstitel einreisen – bei ihnen beginnt die Dreimonatsfrist ab der persönlichen Asylantragstellung beim BAMF. Und Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten – sie sind verpflichtet, während des gesamten Asylverfahrens in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen und dürfen grundsätzlich während des Asylverfahrens keiner Beschäftigung nachgehen.
  • Geduldeten wurde der Asylantrag abgelehnt. Sie werden vorerst nicht abgeschoben, können ohne Wartezeit eine Ausbildung beginnen, dürfen in der Regel frühestens drei Monate nach ihrer Registrierung eine Beschäftigung aufnehmen und erhalten die Erlaubnis hierfür maximal bis zum Ende der Duldung.
  • Asylberechtigten ist der Asylantrag anerkannt beziehungsweise positiv beschieden worden. Sie haben eine befristete Aufenthaltserlaubnis und können jede Beschäftigung oder Ausbildung ohne Einschränkungen aufnehmen. Nach drei Jahren können sie bedingt eine unbefristete Niederlassungserlaubnis erhalten. Näheres ist online abrufbar unter http://tinyurl.com/z6vhnln.

Darüber hinaus sind subsidiär Schutzberechtigte in ihrer Heimat zwar nicht individuell verfolgt, dürfen aber dennoch wegen Gefahr für Leib und Leben vorläufig in Deutschland verbleiben mit der bedingten Möglichkeit, dass ihnen nach fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht zuerkannt wird. Kontingentflüchtlingen wiederum wird im Rahmen internationaler Hilfsaktionen Zuflucht gewährt, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen. Auf Anordnung des Bundes oder der Länder erhalten sie direkt eine Aufenthaltserlaubnis. Subsidiär Schutzberechtigte und Kontingentflüchtlinge verfügen über eine uneingeschränkte und unbefristete Arbeitserlaubnis. Damit können sie sich selbst eine Arbeit suchen, sich arbeitslos melden und die Förderangebote der Bundesagentur für Arbeit (BA) – oder bei Erhalt von Arbeitslosengeld II des JobCenters – in Anspruch nehmen.

Arbeitsmarktintegration

Grundsätzlich dürfen Asylbewerber und Geduldete nur dann eine Beschäftigung aufnehmen, wenn die Ausländerbehörde dies genehmigt und vermerkt hat in der Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung oder Duldung. Zu einer Beschäftigung hat die Ausländerbehörde die Zustimmung der BA einzuholen. Asylbewerbern und Geduldeten kann nach Ablauf einer Wartefrist von mindestens drei Monaten die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden. Solange Asylbewerber verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, dürfen sie keiner Beschäftigung nachgehen.

Für Asylbewerber und Geduldete aus sicheren Herkunftsstaaten gilt ein generelles Beschäftigungsverbot. Sichere Herkunftsländer sind Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien. Hinzukommen könnten die nordafrikanischen Länder Marokko, Algerien und Tunesien. Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge haben hingegen einen weitgehenden Arbeitsmarktzugang. Allerdings erlangen Personen mit Aufenthaltsgestattung durch Aufnahme einer Arbeit oder Ausbildung kein gesondertes Aufenthaltsrecht. Ihre Integrationsleistung spielt bei der Prüfung des Asylantrags keine Rolle. Bei Geduldeten wiederum werden die individuellen Umstände und Integrationsleistungen bei der Verlängerung der Duldung oder bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels berücksichtigt.

Als Daumenregel kann gelten: Mit Zuerkennung der Schutzberechtigung kann bedingt die Arbeitsmarktintegration erfolgen.

Europaweit betrachtet bleibt trotz unterschiedlicher Flüchtlingspolitik die Arbeitsmarktintegration eine Herausforderung. Laut einer von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebenen Studie des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz ist bislang kein Land in Europa so erfolgreich, dass es als mustergültig gelten könnte: Während in Schweden, das mit mehrjährigen Integrations- und Sprachkursen als Vorreiter gilt, nur etwa ein Viertel der Flüchtlinge drei Jahre nach ihrer Ankunft erwerbstätig sei, seien es in Deutschland – ohne vergleichbare Förderprogramme – etwa 30 Prozent.

Olaf Konstantin Krueger

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