Die Ausstellung zum Ersten Weltkrieg aus der Sicht der Landkreisbewohner ist um ein weiteres anschauliches Objekt reicher: Dr. med. Gerhard Binder, praktischer Arzt aus Traunstein, übergab dem Kreismuseum Mühldorf Anfang August bei einer kleinen Veranstaltung einen Arztkoffer seines Großvaters als Leihgabe.
Über den ehemaligen Besitzer Fintan Leutenegger berichtete Binder, dass er aus einer Bäckerfamilie stamme und der Vater dem 1889 geborenen Sohn den Besuch einer höheren Lehranstalt ermöglichte, was seinerzeit keine Selbstverständlichkeit war. Nach Abitur und Studium wurde der junge Arzt nach Wyk auf Föhr beordert und arbeitete dort einige Jahre, bevor er in Traunstein eine Praxis eröffnete.
Der Holzkasten mit den überwiegend chirurgischen Instrumenten begleitete ihn nicht nur während des Ersten Weltkriegs, sondern lange darüber hinaus und wurde innerhalb der Familie weitergegeben und bewahrt. Dass die Instrumente nicht nur ihrem ursprünglichen Zweck entsprechend eingesetzt werden konnten, erläuterte Binder an einer für Amputationen gedachten Knochensäge, die später als Astsäge im Garten zum Einsatz kam.
Museumsleiterin Dr. Susanne Abel dankte dem Leihgeber und den Kollegen aus den Medizinhistorischen Sammlungen in Ingolstadt und Berlin, die mit Auskünften zum Objekt weiter geholfen hatten. Die Leiterin des Friesenmuseums in Wyk steuerte Informationen zum Umfeld Fintan Leuteneggers bei, so dass das Objekt mit aussagefähigen Erläuterungen ausgestellt werden kann.
Ilse Preisinger-Sontag, Vorstandsmitglied des Fördervereins und stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Mühldorf, die bei der Übergabe anwesend war, bedankte sich beim Leihgeber für die Bereicherung der Ausstellung und bei allen Mitwirkenden für deren Beiträge.
Während der Veranstaltung konnte das Kreismuseum eine Spende aus der Familie des ehemaligen Direktors der Mühldorfer Klinik Dr. Werner Leunig entgegennehmen. So ergänzen jetzt HNO-Gerätschaften, ein militärisches medizinisches Unterrichtsbuch aus dem Zweiten Weltkrieg sowie ein Kriegs-Kochbuch des Ersten Weltkrieges die Sammlung des Museums.
Militärhistoriker und Museumsunterstützer Jörg Wurdack stellte die Organisation der Verwundetenversorgung im Ersten Weltkrieg vor. Dr. Markus Nußbaumer, in Mühldorf tätiger Radiologe, hatte sich im Vorfeld mit dem Inhalt des Instrumentenkoffers intensiv befasst. Er stellte ausgewählte Instrumente sowie deren Verwendung vor und verglich sie mit dem heute bei vergleichbaren Operationen benutztem Gerät.
Der Arztkoffer, der korrekt „Sanitätskasten“ heißt, ist – ergänzt um einige Anwendungsbeispiele aus der zeitgenössischen medizinischen Literatur – in der Sonderausstellung zu sehen. Er passt hervorragend zur Ausstellungseinheit „Lazarett und Verwundung“, in der unter anderem Soldaten im Bild zu sehen sind, an denen zuvor vergleichbare Instrumente zum Einsatz kamen.
Die Spende von Familie Leunig sind in einer Neuzugangsvitrine ausgestellt. Bei Interesse können dem Kochbuch gerne Rezepte zum Ausprobieren entnommen werden. Der Kriegszeit entsprechend gibt es zahlreiche fleischlose Rezepte, die auch für heutige gesundheitsbewusste Genießer gut geeignet sind.
Das Kreismuseum Mühldorf freut sich darüber hinaus über eine Einladung zu einer Präsentation mit Vortrag anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Praxis Dr. Binder in Traunstein im Jahr 2017. Objekte und Ausstellung sind zu den Öffnungszeiten des Kreismuseums Mühldorf dienstags bis donnerstags und sonntags von 14 Uhr bis 17 Uhr sowie nach telefonischer Anmeldung unter 0 86 31/23 51 zu sehen.
Gabi Haupt