Mutter, Kind, kein Vater: Armutsrisiko Alleinerziehende?
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Mutter, Kind, kein Vater: Armutsrisiko Alleinerziehende?

Mehr als zwei Millionen Kinder wachsen in Haushalten von alleinerziehenden Elternteilen auf. Mehr als jede fünfte Familie ist eine Einelternfamilie. Unter den Alleinerziehenden sind 90 Prozent Frauen mit einem oder mehreren Kindern. Sie leben in dieser Familienform durch Scheidung, Trennung, Tod oder Entschluss, den Nachwuchs alleine großzuziehen. Statistisch gesehen ein Armutsrisiko. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens erzielt. Erwerbslosigkeit erhöht das Armutsrisiko. Der Landkreis Rosenheim zählte im März 2016 insgesamt 3.825 Arbeitslose, darunter waren 284 Alleinerziehende – eine Quote von 7,4 Prozent. Der Landkreis Mühldorf zählte im März 2016 insgesamt 2.473 Arbeitslose, darunter waren 169 Alleinerziehende – eine Quote von 6,8 Prozent.

Die Hälfte aller in Armut lebenden Kinder wächst bei Alleinerziehenden auf. Alleinerziehende sind mehrfach benachteiligt: Sie müssen die ökonomischen Nachteile eingeschränkter Erwerbsmöglichkeiten alleine tragen. Sie müssen finanzielle Engpässe bei fehlenden Unterhaltszahlungen alleine kompensieren. Sie müssen familienunfreundliche Arbeitszeiten und fehlende Kinderbetreuungsmögichkeiten alleine bewältigen. Sie müssen die Existenzsicherung der Kinder alleine gewährleisten.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband und der „Verband alleinerziehender Mütter und Väter“ haben die Lebenslagen von Alleinerziehenden analysiert und festgestellt, ihre Armutsquote steigt, obwohl ihre Erwerbstätigenquote seit Jahren zunimmt. Dabei lasse sich der Unterschied zwischen Paar- und Einelternfamilien schon durch die Quote der aktiv erwerbstätigen Frauen mit Kindern gut darstellen. Sie betrug im Jahr 2013 unabhängig von der Familienform 61 Prozent. Die Quote der vollzeiterwerbstätigen alleinerziehenden Mütter lag bei 42 Prozent, jene der Ehefrauen lediglich bei 25 Prozent. Demgegenüber gingen Männer unabhängig von ihrer jeweiligen Familienform zu über 87 Prozent einer Vollzeittätigkeit nach.

Einkommenssituation

Die Existenz einer weiteren erwerbstätigen Person im Haushalt sei bedeutsam für das Gesamteinkommen. Paarfamilien, in denen beide Partner arbeiten, zeigten zudem, dass sieben von zehn Paaren das Modell der Vollzeittätigkeit des Vaters in Kombination mit einer Teilzeittätigkeit der Mutter wählten. Dadurch gewönnen sie im Vergleich zu Alleinerziehenden zwar zeitliche Spielräume für die Erledigung von Familien- und Alltagsaufgaben, bei einer Trennung zeigte diese Arbeitsteilung jedoch negative Folgen für alleinerziehende Mütter: In eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit zurückzufinden, sei schwer.

Unterhaltsrecht

Die Unterhaltsrechtsreform von 2008 hätte zwei Auswirkungen gehabt: die Stärkung der rechtlichen Stellung der Zweitfamilie und die Betonung der nachehelichen Eigenverantwortung. Für den betreuenden Elternteil gilt seitdem eine Erwerbsobliegenheit, weshalb es laut Bundesgerichtshof zumutbar ist, neben der Kinderbetreuung einer Vollzeittätigkeit nachzugehen. Nur innerhalb der ersten drei Lebensjahre kann ein Basisunterhalt beansprucht und die Kinderbetreuung selbst übernommen werden. Aktuellen Daten zufolge erhalte nur die Hälfte der Anspruchsberechtigten tatsächlich Unterhalt für ihre Kinder. Und nur in jedem zweiten Fall reichten die Unterhaltszahlungen zur Deckung des Mindestanspruchs. 70 Prozent der Alleinerziehenden berichteten zudem von Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Ex-Partner.

Unterhaltsvorschuss und Kinderzuschlag

Bei nicht gezahltem Kindesunterhalt können Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz beantragt werden. 2013 bezogen insgesamt 468.463 Kinder diese Leistung. Der Unterhaltsvorschuss ist pro Kind auf 72 Monate beschränkt. Abzüglich des vollständigen Kindergeldes beträgt die Leistung 145 Euro für Kinder unter sechs Jahren und 194 Euro für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Die armutsvermeidende Wirkung des Unterhaltsvorschusses endet, sobald die maximale Anspruchsberechtigung verbraucht ist. Außerdem profitiert nur eine Minderheit der Haushalte von Alleinerziehenden vom Kinderzuschlag, denn Unterhaltsvorschuss und Kindesunterhalt werden als Einkommen des Kindes auf die Leistung angerechnet. Die Sozialverbände drängen daher darauf, die Anrechnungslogiken zugunsten der Einelternfamilie zu verändern.

SGB II-Leistungen

Die Quote der Alleinerziehenden, die Leistungen nach dem SGB II, auch Hartz IV genannt, erhalten, beträgt den Sozialverbänden zufolge 40 Prozent – viermal so hoch wie der Durchschnitt aller Haushalte (10,6 Prozent). Der Anteil der Frauen ohne Berufsabschluss übersteigt mit 52 Prozent jenen der Alleinerziehenden mit Qualifikation. 24,3 Prozent der Bezieher erhalten die Leistungen mehr als 24 Monate. Grund sei die schwierige Integration in den Arbeitsmarkt. Hinzu kommen jene, die trotz Erwerbstätigkeit auf SBG II-Leistungen angewiesen sind, und jene, die trotz sozialversicherungspflichtiger Vollzeitbeschäftigung nicht auf Transferleistungen zu verzichten vermögen. Alleinerziehende, die lange im Sozialbezug verbleiben, müssen auf Güter des täglichen Lebens und Aktivitäten zur sozialen Teilhabe verzichten. Unterversorgung und Stigma wirken sich auf die Kinder aus.

Altersarmut

Weist eine Erwerbsbiografie Zeiten der Kinderbetreuung oder Angehörigenpflege auf, in denen geringfügig oder gar nicht gearbeitet wurde, leiten sich die finanziellen Ansprüche häufig hauptsächlich aus der Zeit der Ehe ab und das Armutsrisiko steigt. Bei Scheidung werden die bis dahin erworbenen Ansprüche auf Alterssicherung geteilt, was in der Regel im Alter kaum existenzsichernd ist. Im Vergleich zu Paarfamilien sind Alleinerziehende weniger in der Lage, in ihre private Altersvorsorge zu investieren. Die Sozialverbände fordern deshalb, dass die Familienform nicht entscheidend sein dürfe, ob man in Armut lebe.

Olaf Konstantin Krueger

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