Landkreisgemeinde bremst Landratsamt aus: Oberaudorf kritisiert Kommunikation zur Flüchtlingsunterbringung
Der ehemalige Gasthof Berghupferl in Oberaudorf soll für fünf Jahre als Flüchtlingsunterkunft für rund 40 Menschen genutzt und danach renoviert werden. Die Landkreisgemeinde ist derzeit mit Flüchtlingen "unterbelegt", erwartet jedoch vom Landratsamt Rosenheim, dass dieses mit den Bürgern in den Dialog eintritt. Foto: Olaf Konstantin Krueger
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Landkreisgemeinde bremst Landratsamt aus: Oberaudorf kritisiert Kommunikation zur Flüchtlingsunterbringung

Oberaudorf — Der Bau- und Straßenausschuss der Gemeinde Oberaudorf hat dem Land­rats­amt Rosenheim die tem­po­rä­re Nutzung einer Be­her­ber­gungs­stätte als Flüchtlings­un­ter­kunft ver­wei­gert. Die ein­stim­mi­ge Ver­wei­ge­rung der Nut­zungs­än­de­rung ist zwar recht­lich nicht durch­setz­bar, soll aber dem Land­rats­amt Ge­le­gen­heit geben, „in einen not­wen­di­gen Dialog mit der Bevöl­ke­rung und allen voran den direkten An­woh­nern ein­zu­tre­ten“. In der Sitzung vom 20. Mai er­läu­ter­te der Erste Bür­ger­meis­ter Dr. Matthias Bernhardt (Freie Wäh­ler­schaft Oberaudorf), wie die Ge­mein­de und er erst vor drei Wochen von der An­mie­tung des Ge­bäu­des in der Sudel­feld­straße durch das Land­rats­amt Kennt­nis er­hiel­ten. Danach ver­gin­gen zwei Wochen, ehe ihm Land­rat Otto Lederer (CSU) den Sach­stand per­sön­lich er­läu­ter­te und dabei der Gemeinde eine Mit­sprache zu­ge­stan­den, wen Oberaudorf auf­neh­men werde. In einer fünf­mi­nü­ti­gen Sit­zungs­pause be­grüß­ten An­woh­ner das Vor­ge­hen des Bür­ger­meis­ters. Ge­mein­de­rat Michael Mermigkas (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) ver­si­cher­te auf­grund seiner Arbeit in der Flüchtlings­hilfe, die bis­her be­treu­ten Migranten seien „in Brot und Arbeit gekommen„.

Im Freistaat Bayern ist das Bayerische Staats­mi­nis­te­rium des Innern, für Sport und In­te­gra­tion (StMI) für die über­ge­ord­ne­te Steue­rung der Asyl­su­chen­den zu­stän­dig. Den Re­gie­run­gen der je­wei­li­gen Re­gie­rungs­be­zir­ke ob­liegt die Ver­tei­lung auf die Land­kreise und kreis­freien Städte. Die Land­kreise und kreis­freien Städte sind wiederum dafür ver­ant­wort­lich, die ihnen zu­ge­wie­se­nen Per­so­nen in de­zen­tra­len Un­ter­künf­ten wie Woh­nun­gen oder Ge­mein­schafts­un­ter­künf­ten un­ter­zu­brin­gen. Im Land­kreis Rosenheim steht das Land­rats­amt aller­dings im Zu­sam­men­hang mit der Un­ter­brin­gung von Migranten in der Kritik ob seines Vor­ge­hens in den Gemeinden Rott a.Inn, Feldkirchen-Westerham, Stephanskirchen und Kolbermoor.

In Rott a.Inn gibt es erhebliche Proteste gegen die geplante Ein­rich­tung einer Erst­auf­nah­me­ein­rich­tung für bis zu 500 Migranten in einer ehe­ma­li­gen In­dus­trie­halle. Die Bür­ger­ini­tia­ti­ve „Rott rottiert“ und die Gemeinde selbst kri­ti­sie­ren die schiere Größe der Un­ter­kunft im Ver­hält­nis zur Ein­woh­ner­zahl des Ortes (ca. 4.000 Bürger). Land­rat Otto Lederer war bei Bürger­ver­samm­lun­gen mit deut­li­chem Wider­stand kon­fron­tiert. In Feldkirchen-Westerham hat die Gemeinde Klage gegen eine vom Land­rats­amt er­teil­te Bau­ge­neh­mi­gung für eine Flüchtlings­un­ter­kunft ein­ge­reicht. Die Kritik richtet sich unter anderem gegen die geplante Größe der Unter­kunft für bis zu 160 Personen und die lange Nutzungs­dauer von elf Jahren, die als Ein­schrän­kung der kom­mu­na­len Planungs­ho­heit ge­se­hen wird. Die Gemeinde fa­vo­ri­siert kleinere Ein­hei­ten. In Kolbermoor wurde ein Bau­an­trag für eine An­schluss­un­ter­kunft für 212 Personen vom Bau­aus­schuss ein­stim­mig ab­ge­lehnt. Bürger­meis­ter und Lokal­po­li­ti­ker äu­ßer­ten scharfe Kritik an den Plänen und be­zeich­ne­ten sie als „men­schen­un­wür­dig“ und ver­gleich­bar mit einer „Gefängnis­baracke“, da sie gesunde Wohn­ver­hält­nis­se und aus­rei­chend Auf­ent­halts­flä­chen ver­mis­sen ließen. Die Gemeinde Stephanskirchen hat ebenfalls Klage gegen das Land­rats­amt ein­ge­reicht, nach­dem eine Bau­ge­neh­mi­gung für eine Flüchtlings­unter­kunft im Orts­teil Murnau erteilt wurde. Stephanskirchen ist zwar grund­sätz­lich zur Auf­nah­me bereit, kri­ti­siert aber den ge­plan­ten Standort im Ge­wer­be­ge­biet als un­ge­eig­net, da er weit ab von wichtigen Ein­rich­tun­gen wie Lebens­mittel­ge­schäf­ten und sozialen An­lauf­stel­len liegt.

Oberaudorf klärt eigeninitiativ Sachstand

Den Tagesordnungspunkt „Bauantrag zur temporären Nut­zungs­än­de­rung eines Hotels in eine Flüchtlings­un­ter­kunft, Sudel­feld­str. 12, Fl.Nr 321/15, Gemarkung Oberaudorf“ be­zeich­ne­te der Aus­schuss­vor­sit­zen­de und Erste Bürger­meister Dr. Matthias Bernhardt als den „in­ter­es­san­tes­ten“ der Sit­zung des Bau- und Straßen­aus­schus­ses vom 20. Mai. Von den neun TOP nahm dieser mit knapp vierzig Minuten denn auch über die Hälfte der öf­fent­li­chen Sit­zungs­zeit in Anspruch.

Eingangs schilderte Bernhardt den Hergang. So habe die Gemeinde Oberaudorf den Bau­an­trag des Land­rats­amtes Rosenheim Ende April ohne Vor­in­for­ma­tion er­hal­ten und da­durch erst­mals „von diesem Vor­gang er­fah­ren“. Bernhardt habe darauf­hin um einen Ge­sprächs­ter­min mit Land­rat Lederer gebeten, um den Sach­stand zu klären. Das Gespräch habe aller­dings erst vier Tage vor der Aus­schuss­sit­zung statt­ge­fun­den, was mit Blick auf das be­rech­tig­te In­for­ma­tions­in­ter­esse der Be­völ­ke­rung „ganz schön un­glück­lich ist“. Der Rat­haus­chef habe dabei „in Er­fah­rung ge­bracht“, dass das Land­rats­amt mit dem Ei­gen­tümer der bis­he­ri­gen Be­her­ber­gungs­stätte in der Sudel­feld­straße – Bau­jahr 1958 und rund ein Kilo­meter von der Klinik Bad Trißl ent­fernt – be­reits einen Miet­ver­trag auf fünf Jahre ab­ge­schlos­sen habe.

Die Informationspolitik ihm gegenüber erklärte sich Bernhardt mit der schwie­ri­gen Lage des Land­rats­amtes, im Land­kreis über­haupt Miet­ver­trä­ge für die Unter­brin­gung von Migranten ab­zu­schlie­ßen. Daher in­for­mier­te das Land­rats­amt eine be­trof­fe­ne Kom­mune erst dann, wenn ein Miet­ver­trag zu­stan­de ge­kom­men sei. Im vor­lie­gen­den Fall habe das Land­rats­amt „auch noch ver­säumt“, Gemeinde und Bür­ger­meis­ter zeitig zu in­for­mie­ren. Bernhardt habe darauf­hin darum gebeten, dass die Gemeinde mit aus­wäh­len könne, „wer denn da kommt“: Gewünscht wären eher Familien­ver­bände – auf­grund der an­ge­spann­ten Situa­tion im Kinder­garten idealer­weise mit Kindern, die schon aus der Grund­schul­pflicht heraus sind. Es sollten Menschen „de­zi­diert aus­ge­sucht werden“, die bereits in den bis­he­ri­gen Sammel­unter­künf­ten „durch­weg positiv auf­ge­fal­len sind“. Sie er­hiel­ten die neue Unter­kunft „quasi als Be­loh­nung“ an einem „doch schönen Stand­ort“. Dies soll Bernhardt zugesagt worden sein.

Ausschussdiskussion und Abstimmung

Die Ausschussmitglieder zeigten sich darüber im Klaren, dass Oberaudorf derzeit mit bis zu 70 Geflüchteten „Unter­be­leger“ sei und erst mit weiteren rund 40 Migranten auf den Land­kreis­schnitt komme. Dazu böte die Unter­kunft 17 Be­treu­ungs­räume mit 34 Betten. Die Migranten würden auf drei Geschoße verteilt – Erd-, Ober- und Dach­ge­schoss. Die bau­lichen Maß­nah­men er­folg­ten nur gemäß Brand­schutz­konzept, bei­spiels­weise würden Türen er­tüch­tigt oder er­neuert. Nach Vor­gabe des Eigen­tü­mers sollen nach dem Ende des auf fünf Jahre an­ge­leg­ten Miet­ver­hält­nis­ses mit dem Land­rats­amt Mo­der­ni­sie­run­gen vor­ge­nom­men werden, um die Nut­zung als Be­her­ber­gungs­stätte wieder aufzunehmen.

In einer fünfminütigen Sitzungspause begrüßten Anwohner das Vorgehen des Bür­ger­meis­ters, die Ein­be­zie­hung der Be­völ­ke­rung und die Aus­spra­che über Be­fürch­tun­gen. Ge­mein­de­rat Michael Mermigkas (Bündnis 90/DIE GRÜNEN) zer­streu­te dabei Be­den­ken. Er er­klär­te aus seiner lang­jäh­ri­gen Arbeit in der Flüchtlings­hilfe, diese diene sowohl der Un­ter­stüt­zung der an­kom­men­den Menschen als auch der Be­wah­rung des Friedens im Dorf. 95 Pro­zent der Migranten seien „reizende Menschen“ und „viele, viele Menschen sind in Brot und Arbeit ge­kom­men, sind eine wichtige Stütze der Ge­sell­schaft ge­wor­den“. Bernhardt ergänzte, er erwarte von jedem, der komme, „dass er sich an unseren Kultur­rahmen, wie er hier gelebt wird, an­passt“.

Zunächst jedoch bedürfe es einer Nutzungsänderung. Und diese verweigerten die Aus­schuss­mit­glie­der ein­stim­mig. Der Beschluss diene dem Zweck, „dem Land­rats­amt die Mög­lich­keit ein­zu­räu­men, in einen not­wen­di­gen Dialog mit der Bevölkerung und allen voran den direkten An­woh­nern ein­zu­treten“. Dazu legten die Ge­mein­de­räte dem Land­rats­amt nahe, die ent­ste­hen­de Zeit­spanne zu nutzen, eine In­for­ma­tions­ver­an­stal­tung vor Ort durchzuführen.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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