Maßnahmen zum Infektionsschutz gegen das Coronavirus – Hierl: „Bewahren Sie einen klaren Kopf!“
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Maßnahmen zum Infektionsschutz gegen das Coronavirus – Hierl: „Bewahren Sie einen klaren Kopf!“

Rosenheim/Mühldorf am Inn – Das neuartige Coronavirus verbreitet sich immer weiter. Vielerorts sind Mund-Nase-Schutzmasken, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel ausverkauft. Die Maßnahmen zur Eindämmung werden drastischer. Gestrichen: internationale Messen wie die Mobile World Congress in Barcelona, die Internationale Tourismus-Börse in Berlin, die Leipziger Buchmesse, der Genfer Automobilsalon und die Handwerksmesse in München. Abgesagt: Fußballspiele und Schülerreisen. Dagegen finden die Starkbierfeste in Rosenheim, Raubling und Mühldorf statt. Fakt ist: In Dorfen, Landkreis Erding, bleiben diese Woche 23 Neunt- und Zehntklässler sowie zwei Lehrer nach ihrer Rückkehr aus dem italienischen Risikogebiet Emilia-Romagna sicherheitshalber zu Hause. Im Landkreis Rosenheim wurde der erste Infektionsfall nachgewiesen. „Die Situation entwickelt sich dynamisch“, konstatiert der Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes, Dr. Wolfgang Hierl, der zugleich zur Besonnenheit mahnt: Die Lage ist „sehr übersichtlich“, Stadt und Landkreis sind „bestens gerüstet“ und auf weitere Fälle vorbereitet, ein Stufen-Plan für den Notfall steht. Im Landkreis Mühldorf am Inn gibt es laut Gesundheitsamt noch keinen Infektionsfall.

Das Robert Koch-Institut (RKI) registriert mittlerweile in allen Bundesländern bis auf Sachsen-Anhalt Infektionsfälle mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2). Zuletzt waren insgesamt 349 Fälle bestätigt, davon 52 in Bayern (Stand: 5. März, 8 Uhr). Dem RKI zufolge verlaufe die Erkrankung teils schwer, manchmal tödlich. Mit weiteren Fällen, Infektionsketten und Ausbrüchen müsse gerechnet werden. Die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung schätzt das RKI aktuell als „mäßig“ ein. Eine weltweite Ausbreitung des Erregers sei zu erwarten.

Kritisch ist bereits die „progressive Knappheit“ der persönlichen Schutzausrüstung aller Einheiten des Katastrophenschutzes der Bayerischen Hilfsorganisationen: Diese haben inzwischen „Alarmstufe 1“ (von drei) ausgerufen. Die Alarmsicherheit einzelner Einheiten, ihren Materials und der Erreichbarkeiten sind zu überprüfen. „Der Eigenschutz unserer ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitenden hat höchste Priorität“, erklärt BRK-Präsident Theo Zellner die Maßnahme. Die persönliche Schutzausrüstung sei Voraussetzung dafür, dass die Einheiten in den Einsatz gehen könnten. „Der Markt ist wie leergefegt“, ergänzt Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk.

Stadt und Landkreis Rosenheim sind allerdings nach den Worten von Dr. Wolfgang Hierl für die Bewältigung der beginnenden Epidemie „bestens gerüstet“. Dem Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes Rosenheim zufolge steht das Amt „in sehr engem Kontakt“ mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sowie der Regierung von Oberbayern. Von diesen würden in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Robert Koch-Institut „risikoadaptierte Verfahrensweisen und Maßnahmen“ angeordnet. Zweck: „Verdachtsfälle“ zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erkennen und eine Ausbreitung der Krankheit verhindern.

Der Landkreis Mühldorf am Inn ist laut Gesundheitsamt ebenfalls „gut gerüstet“. Da die Schutzausrüstung knapp werden, insbesondere die speziellen Atemschutzmasken, hofft das Amt, dass es den Ministerien durch die zentrale Beschaffung gelingt, ausreichend Material zu besorgen. Vorbereitung sei wichtig, noch bedeutender aber sei es, sich schnell auf neue Situationen einzustellen, angemessen zu reagieren und Lösungen zu finden. „Durch die hervorragende Zusammenarbeit der Kliniken im Landkreis und Gesundheitsamt ist dies bisher gelungen“, heißt es aus der Behörde. Die Situation werde ständig beobachtet, alle aktuellen Hinweise vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und dem Robert Koch-Institut würden verfolgt, Verdachtsfälle durch Tests abgeklärt.

Wirtschaft und Arbeitnehmer verunsichert

Die Epidemie bringt immer mehr Unternehmen in Schwierigkeiten: Absagen von Messen und Großereignissen, die zunehmende Reisezurückhaltung und die steigende Besorgnis vor Menschenansammlungen wirken sich besonders in Hotellerie und Gastronomie aus, in Reisebüros, bei Messedienstleistern sowie in der Freizeit- und Kulturwirtschaft.

Einer Umfrage des Jobplattform StepStone zufolge ist die Epidemie bei 96 Prozent der Angestellten Gesprächsthema, bei 52 Prozent von ihnen täglich, bei 21 Prozent mehrmals täglich, bei 43 Prozent beeinflusst das Thema den Arbeitsalltag. 46 Prozent der Befragten sind besorgt, dass die Epidemie negative Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg hat. Doch einfach nicht zur Arbeit zu erscheinen, ist laut dem Berliner Rechtsanwalt Johannes von Rüden nicht zu empfehlen: „Arbeitsverweigerung kann zu einer Abmahnung oder sogar zur Kündigung führen. Nur wenn das Unternehmen trotz konkreter Infektionsfälle oder trotz einer Aufforderung durch die Behörden keine Schutzmaßnahmen ergreift, könnten Arbeitnehmer sich weigern. Auch wer Angst hat, sich auf dem Arbeitsweg in den öffentlichen Verkehrsmitteln anzustecken, hat kein Recht, einfach zu Hause zu bleiben“, betont von Rüden.

Während Arbeitnehmern bei einer regulären Krankmeldung das Gehalt weiter gezahlt werde, könnten Betroffene bei Verdacht auf eine Corona-Infektion gegebenenfalls auch das Recht auf eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz haben: Jemand, der als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, könne eine Entschädigung in Geld erhalten. Bei Erkrankung eines Kindes hätten Arbeitnehmer das Recht, es zu Hause zu pflegen. „Gesetzlich vorgeschrieben sind zehn Tage pro Kind und Elternteil. Der Lohn wird weitergezahlt“, so RA von Rüden.

Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern fordert, die betroffenen Firmen bräuchten ein Bündel an Sofortmaßnahmen, um ihre Liquidität und damit die Arbeitsplätze zu sichern. „Dazu gehört eine schnelle und praxisnahe Umsetzung von Kurzarbeit sowie allgemeine Steuerstundungen durch den Fiskus, um die Firmenkassen vorübergehend zu entlasten.“ Gößl fügt an, die Sozialversicherungsträger sollten sich auf Betriebe mit gravierenden Liquiditätsproblemen einstellen sowie schnell und unkompliziert mit Stundungen der Sozialbeiträge über die Durststrecke helfen.

„Eindämmungsstrategie“ des RKI

Beim Corona-Fall aus dem Landkreis Rosenheim hatte der betroffene 55-Jährige im Skiurlaub tagelang in Südtirol Kontakt mit einem befreundeten Infizierten aus Baden-Württemberg. Da der Urlauber ohne Krankheitssymptome sei, befinde er sich derzeit isoliert von seiner Familie in strikter häuslicher Quarantäne.

Der „Eindämmungsstrategie“ des RKI folgend sollen Infektionsketten schnellstmöglich unterbrochen werden. Infizierte sollen für die maximale Inkubationszeit von 14 Tagen abgesondert werden. Dieser Strategie entspricht beispielsweise die Absage der diesjährigen Leipziger Buchmesse im Verbund mit der „Manga-Comic-Con“ und dem Lesefest „Leipzig liest“: Laut Leipziger Messe GmbH ist bei rund 2.500 Ausstellern und 280.000 erwarteten Besucher eine Rückverfolgbarkeit von Kontaktpersonen nicht zu gewährleisten. Bezogen auf die anstehenden Starkbierfeste hat die Stadt Rosenheim mitgeteilt, dass es nach Einschätzung des städtischen Ordnungsamts bislang keine rechtliche Handhabe für eine Absage des Starkbierfests der Firma Auerbräu in der Inntalhalle gebe. Voraussetzung für eine hoheitliche Absage der Veranstaltung wäre eine fachliche Stellungnahme des Staatlichen Gesundheitsamtes Rosenheim, die eine solche Absage aus Gründen des Infektionsschutzes für unabweisbar notwendig erklärt. „Ein derartiges zwingendes Erfordernis hat das Gesundheitsamt Rosenheim gegenüber der Stadt bisher nicht erklärt“, so der zuständige städtische Dezernent für Recht, Sicherheit und Ordnung, Herbert Hoch.

„Handlungsleitfaden“ und Pandemiepläne

Ende Februar haben das Gesundheitsamt Rosenheim, die Ordnungsämter, das RoMed-Klinikum, die Rettungsdienste, die Bundes- und Landespolizei sowie der Katastrophenschutz eine „Koordinierungsgruppe“ gebildet, um das Vorgehen zu vereinheitlichen. Ergebnis: ein abgestimmter Stufenplan. Dieser ist laut Bettina Bauer, Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung, ein „Handlungsleitfaden“ für drei Szenarien: Stufe 1 beschreibt das Vorgehen bei bestätigten Einzelfällen, Stufe 2 bezieht sich auf größere Personengruppen, beispielsweise eine Reisegesellschaft, Stufe 3 ist ausgelegt für eine flächendeckende Infektion. Sollte die Infektion aufgrund vermehrter Fallzahlen Raum greifen, würde das RKI laut Hierl einen Strategiewechsel vollziehen.

Auf der aktuellen Stufe 1 würden Reiserückkehrer aus Risikogebieten wie der Lombardei oder Emilia-Romagna über das Gesundheitsrisiko aufgeklärt und beim Auftreten von Krankheitszeichen getestet. Sollten Symptome einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus auftreten, ist das Gesundheitsamt zu verständigen. Symptome seien laut WHO Fieber, trockener Husten und Abgeschlagenheit. Aus China wurde von einigen Patienten auch Atemprobleme, Halskratzen, Kopf- und Gliederschmerzen und Schüttelfrost berichtet.

In Mühldorf werde entsprechend der Pandemiepläne gehandelt, teilt das Gesundheitsamt mit: „Wir setzen die Vorgaben des Robert Koch-Instituts und des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit um und arbeiten dafür eng in einem Team aus Kolleginnen und Kollegen des Gesundheitsamts, der Klinik in Mühldorf und des Ordnungsamtes zusammen“, erläutert die Behörde. „Wir befinden uns in der Phase des möglichst frühen Erkennens von Verdachtsfällen und des Vermeidens der Ausbreitung der Krankheit. Im Vordergrund stehen derzeit die Beratung besorgter Bürger, Einrichtungen und Unternehmen und die Weitergabe von Fachinformationen und Beratung von Kolleginnen und Kollegen in Praxen“, so das Gesundheitsamt.

Risikominimierende Verhaltensregeln

Das Coronavirus ist von Mensch zu Mensch übertragbar. Es infiziert die unteren Atemwege, kann eine schwere Lungenerkrankung verursachen. Der Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion, entweder direkt über die Schleimhäute der Atemwege oder indirekt über die Hände, die mit Mund- oder Nasenschleimhaut sowie der Augenbindehaut in Kontakt gebracht werden. Der „Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V. (VDBW)“ empfiehlt einfache Verhaltensregeln, um das Infektionsrisiko zu minimieren: gute Handhygiene – regelmäßiges Waschen mit Seife –, ein bis zwei Meter Sicherheitsabstand zu kranken Menschen, Husten und Niesen in die Armbeuge oder in ein sauberes Einwegtaschentuch, in Risikogebieten das Meiden von großen Menschenansammlungen. Für gesunde Menschen seien jedoch Atemmasken und ständiges Desinfizieren der Hände überflüssig. Gleichwohl sollen beispielsweise die Fußballer von Werder Bremen derzeit keine Autogramme mehr schreiben oder für Selfies mit den Fans posieren.

Deutschlands Kassenärzte warnen im Übrigen eindringlich vor unnötigen Praxisbesuchen. „Umfangreichere Testung von klinisch Gesunden ist medizinischer Unfug“, meint etwa Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Auch Hierl hält das „Freitesten“ ohne Symptome für überflüssig und appelliert, einen „klaren Kopf“ zu behalten. In Mühldorf lautet die Devise: „Ruhe bewahren, aufmerksam die Nachrichten über die weitere Entwicklung verfolgen.“ Mehr Information ist online abrufbar unter infektionsschutz.de und rki.de. Das LGL hat zudem eine Telefon-Hotline eingerichtet: 09131/6808-5101.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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