Unternehmer besprechen Digitalisierung und Wirtschaftslage: Rosenheims CIO will Kooperation verbessern
Beim Besuch der BTK Logistik in Raubling erörtert der IHK-Regionalausschuss Rosenheim die Wirtschaftslage in Südostoberbayern und die Digitalisierung der Stadtverwaltung Rosenheim. Foto: Olaf Konstantin Krueger
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Unternehmer besprechen Digitalisierung und Wirtschaftslage: Rosenheims CIO will Kooperation verbessern

Rosenheim / Raubling — Die Elektromobilität ist für die Logistik unausgereift, die interkommunale Zusammenarbeit beim E-Government zäh, die Geschäftserwartung im Freistaat Bayern eingebrochen: Der IHK-Regionalausschuss Rosenheim erörterte auf seiner Versammlung im Raublinger Firmensitz der BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH, was das Unternehmensnetzwerk besorgt. Die BIHK-Konjunkturumfrage Mitte Januar hat gezeigt, dass die Geschäftslage weiter sinkt und der Pessimismus in allen Branchen überwiegt. Indem vor allem die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als größtes Risiko identifiziert sind, sollen diese im Dialog mit den Entscheidungsträgern aus Politik und Verwaltung adressiert werden. Dazu ließ sich der Regionalausschuss über die Digitalisierung der Stadtverwaltung Rosenheim aus erster Hand informieren: von Bernward Hohenbild, seit vier Monaten „Chief Information Officer“, kurz: CIO, und Leiter der städtischen EDV.

Sitzungsort des IHK-Regionalausschusses war diesmal die BTK Befrachtungs- und Transportkontor GmbH im Raublinger Gemeindeteil Nicklheim. BTK-Geschäftsführer und Gesellschafter Josef Heiß, Geschäftsführender Gesellschafter Franz Weiß und Speditionsleiter Franz Neuner führten die 25 Gäste zunächst durch einen Teil des 2.200 Quadratmeter großen Büroneubaus mit seinen 130 Arbeitsplätzen. Danach zeigten sie die 2014 und 2018 in Betrieb genommenen Logistikhallen mit einer Gesamtfläche von 11.000 Quadratmetern. Im Großraum München unterhält der Logistikdienstleister in toto 37.000 Quadratmeter Lagerfläche. BTK beschäftigt 360 Mitarbeiter, davon 170 am Hauptsitz in Raubling.

Das inhabergeführte Logistikunternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 98 Millionen Euro in 2022, hat einen eigenen Fuhrpark mit 160 „ziehenden Einheiten“ – Zugmaschinen, Sattelzugmaschinen, Lkw mit Anhängerkupplung –, davon aktuell zehn mit BIO-LNG-Antriebstechnologie, plus 200 Auflieger. Geschäftsführer Heiß erläuterte in seinem anschließenden Vortrag die Tücken einer avisierten Transformation weg vom klassischen Diesel-Lkw hin zu Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Hintergrund: In der Europäischen Union (EU) sollen die CO2-Emissionen von Reisebussen und Lkw bis 2040 um 90 Pro­zent sinken verglichen mit 2019. Werden die CO2-Grenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge (mehr als 3,5 Tonnen) überschritten, werden ab 2025 Strafzahlungen fällig. „Da steht uns etwas bevor“, so Heiß.

Straßengüterverkehr: technologische Transformation herausfordernd

Stichwort: Elektromobilität. BTK wolle Elektrolastkraftwagen integrieren, doch Diesel-Lkw seien noch nicht ersetzbar. Heiß rechnete vor, eine Investition von circa 715.000 Euro für zwei E-Lkw plus etwa 100.000 Euro für eine Schnellladesäule mit zwei Anschlüssen sei auch bei Mautbefreiung ohne staatliche Förderung unrentabel. Im laufenden Betrieb reduziere sich die theoretische Reichweite der E-Lkw von 500 Kilometer auf maximal 350 Kilometer – zu wenig für tägliche Langstreckentransporte bis 500 Kilometer. Weder könnten die Hersteller Elektro-Brummer in großer Menge liefern, noch bestehe Klarheit über die künftige Ladeinfrastruktur. Hierzu hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) kürzlich berechnet: Bei einem Anteil von 15 Prozent E-Lkw unter allen schweren Lkw bis 2030 müssten bundesweit mindestens 1.000 öffentliche Hochleistungsladepunkte aufgebaut werden, bei schnellerer Marktdurchdringung der E-Lkw und längeren Standzeiten eher das Doppelte.

Stichwort: Wasserstoff. Genauso riskant sei eine Investition in wasserstoffbetriebene Lkw – wegen sehr hohen Anschaffungspreises, mangelhafter Verfügbarkeit von H2-Lkw und unklarer Förderung der Lkw mit Brennstoffzelle. Heiß schließlich bündig: „Wir wollen, aber es muss wirtschaftlich sein.“

Stichwort: Fahrermangel. Die Konsortialstudie „Begegnung von Kapazitätsengpässen im Straßengüterverkehr – Fokus Personal“, an deren Erstellung BTK als „Silber-Partner“ beteiligt war, hat im Februar 2022 Ursachen und Auswirkungen des Fahrermangels ermittelt und Gegenmaßnahmen formuliert. Danach entstanden der deutschen Wirtschaft im Jahr 2022 durch den Mangel an Fahrpersonal zusätzliche Kosten in Höhe von circa 10 Milliarden Euro. In 2022 fehlten circa 53.000 Lkw-Fahrer, in 2023 mehr als 70.000 Lkw-Fahrer. Unternehmerseitige Maßnahmen und digitale Infrastrukturen könnten zur Linderung beitragen. Heiß zufolge bleibt aber der Fahrermangel aufgrund des demografischen Wandels ein „Flaschenhals“.

Stichwort: Digitalisierung. BTK verfolge eine Digitalisierungsstrategie, die ein Team seit 2023 umsetze. So verarbeite inzwischen ein elektronisches Dokumentenmanagementsystem (DMS) die rund 2.000 Rechnungen pro Woche „nahezu vollständig automatisiert“. Perspektivisch sollen zusätzliche Automation und Roboterisierung das Unternehmenswachstum unterstützen. Wegen der steigenden Komplexität der gesamten Logistikkette vermutet Heiß, dass kleine Transportunternehmen mit maximal 30 Lkw ins Straucheln geraten könnten.

E-Government: digitale Transformation stockend

Welche Tücken wiederum die digitale Transformation in den Behörden aufweist, erklärte sodann Bernward Hohenbild, seit vier Monaten „Chief Information Officer“ (CIO) der kreisfreien Stadt Rosenheim und Leiter der städtischen EDV (Elektronische Datenverarbeitung). Diplom-Mathematiker Hohenbild verfügt über langjährige Führungserfahrung in den Bereichen digitale Transformation sowie Technologieimplementierung und -entwicklung. Seine Ausführungen über die digitale Verwaltung und IT der Stadt Rosenheim verfolgten auch Rosenheims 3. Bürgermeisterin Gabriele Leicht (SPD), Wirtschaftsdezernent Thomas Bugl sowie Peter Heßner, Carla Kirmis und Elke Riedner von der Wirtschaftsförderung der Stadt Rosenheim. Hohenbild zufolge sind in der kreisfreien Stadt insgesamt 25 Mit­ar­bei­ter für IT-Betrieb, IT-Support und IT-Projekte zuständig. Sie betreuen die gesamte interne Informations- und Kommunikationstechnik (IKT): von der Stadtverwaltung mit 70 Liegenschaften, etlichen Kulturbetrieben und 15 Schulen über zwei redundant ausgelegte Rechenzentren bis hin zu einem Netzwerk mit circa 100 WiFi Access Points, städtischem Core Netzwerk und Anbindung an das bayerische Behördennetz.

Gemeinhin soll die Verwaltungsdigitalisierung Prozesse beschleunigen, Kosten senken sowie Abwicklungen sicher und nutzerfreundlich gestalten helfen. Allerdings wurde nach den Worten von Hohenbild bereits allgemein die Deadline des Onlinezugangsgesetzes (OLG) „sportlich gerissen“: Bis Jahresende 2022 sollte mit 575 öffentlichen Serviceangeboten der Großteil der Verwaltungsdienstleistungen online verfügbar sein, doch dieses Ziel ist auch Anfang 2024 in weiter Ferne. Gleiches hat das Institut der deutschen Wirtschaft (DIW) im Februar in der Kurzstudie „Behörden-Digimeter Januar 2024“ festgestellt. Daher sieht die Neuauflage „OLG 2.0“ ab 2028 ein einklagbares Recht vor, die meisten Behördengänge online erledigen zu können. Das Bundesinnenministerium soll dazu in den kommenden zwei Jahren Standards und Schnittstellen festlegen.

Da laut Hohenbild für bestimmte digitale Verfahren unterschiedliche Zuständigkeiten zu beachten sind, erfordern diese eine Zusammenarbeit der Verantwortlichen. Allerdings fehlten dazu häufig Grundlagen und Standards. Das bewirke Mehraufwand, erfordere zusätzliche Auditierung. Künstliche Intelligenz (KI) mag helfen, doch Bescheide müssten am Ende rechtskonform von Menschen geprüft werden. So sieht der Fahrplan in Rosenheim für 2024 vor, Infrastruktur und Software (Microsoft 365) zu normalisieren und dann ein Pilotprojekt zum Datenmanagement durchzuführen. Hierfür wünscht sich der CIO die regionale Zusammenarbeit mit Netzwerken wie ROSIK und Stellwerk18 sowie Unternehmen wie InnFactory GmbH, Unicode GmbH und Bensegger GmbH. Hinzukommen sollten gemeinsame Projekte, Initiativen und Lobbyarbeit von Stadtverwaltung und IHK, überdies regelmäßige Evaluierung der Zusammenarbeit sowie Feedbacks von Unternehmen und anderen relevanten Stakeholdern.

Bayerische Wirtschaft: „im Tief gefangen“

„Leider keine positiven Botschaften“ vermochte Elke Christian zur Wirtschaftslage zu verkünden. Die IHK-Bereichsleiterin Ehrenamt, Region, Politik sowie Mitglied der Hauptgeschäftsführung erläuterte die Ergebnisse der BIHK-Konjunkturumfrage unter 3.900 bayerischen Unternehmen Mitte Januar. Danach ist die bayerische Wirtschaft „im Tief gefangen“, die „Wirtschaftspolitik erstmals dominierendes Risiko“ und die Wirtschaft in Südostoberbayern „weiter auf Talfahrt“. Lediglich unter Dienstleistern und im Einzelhandel sei die Stimmung „recht stabil“.

Erstmals nannten die Unternehmen als ihr größtes Risiko die Wirtschaftspolitik – der Wert ist in den letzten zwölf Monaten von 47 Prozent auf nun 64 Prozent gestiegen – und hier insbesondere die Bürokratie. Selbst ein gemeinsamer „Brandbrief“ der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft – Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA), Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI), Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V. (ZDH) – an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) blieb unbeantwortet.

Der Rückgang der Lageurteile deute zwar auf eine Wachstumsverlangsamung hin, nicht jedoch auf eine „scharfe Rezession“: Rund jedes zweite Unternehmen bezeichnete seine Geschäftslage als „gut“, weniger als jedes zehnte gab ein negatives Votum ab. Folglich könne die Wirtschaft auch in den kommenden zwölf Monaten stagnieren oder schwach wachsen.

Eine Studie der IHK für München und Oberbayern mit dem ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V. hatte Mitte Dezember 2023 die „Belastungsfaktoren“ für die Industrieproduktion in Deutschland und Bayern benannt. Bereits vor der aktuellen Krisenkumulation belasteten die Wirtschaft: der demografische Wandel, vor allem der Fachkräftemangel, das Dekarbonisierungsziel bis 2045 sowie der Rückstand bei der Digitalisierung. Hinzugekommen seien „die dauerhafte Verteuerung der Energie in Europa insgesamt bzw. der Energiepreisunterschied zwischen den europäischen Ländern zu Ungunsten Deutschlands, Außenhandelsfriktionen und Probleme durch Wettbewerbsverzerrung infolge ausländischer Subventionsprogramme (USA, China) sowie die höheren Verteidigungslasten und der daraus resultierende Druck auf die öffentlichen Finanzen“.

Eine positive Nachricht hatte indes der Vorsitzende des IHK-Regionalausschusses Rosenheim, Andreas Bensegger, frisch ausgezeichnet mit dem Ehrenzeichen der IHK für München und Oberbayern: Die Wirtschaft bildet weiter junge Menschen aus. Mehr Information ist online abrufbar unter btk.de und ihk-muenchen.de.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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