Digitale Transformation der Kommunalverwaltungen – Montag: „Bürgerdialog ist nicht digitalisierbar“
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Digitale Transformation der Kommunalverwaltungen – Montag: „Bürgerdialog ist nicht digitalisierbar“

Zangberg – Warteschlange auf Ämtern adé, willkommen elektronisches Servicekonto: Der „Behördengang 24/7“ gewinnt am 1. Oktober an Gestalt. Dann sind alle Standardverfahren der Kfz-Zulassung wie An-, Ab- und Ummeldung oder Kennzeichenmitnahme online durchführbar. Ein internetfähiges Smartphone, die „AusweisApp2“ und ein neuer Personalausweis (nPA) genügen. Dabei ist die internetbasierte Fahrzeugzulassung – kurz: i-Kfz – mehr als die elektronische Variante eines Behördendienstes, sagt Martin Montag. Für den Regionalleiter Oberbayern der „Anstalt für kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB)“ ist sie der erste vollständig automatisierte Verwaltungsakt: „Wenn sich das durchsetzt, hat es Auswirkungen auf die gesamte Verwaltung“, so Montag auf der Bürgermeisterversammlung des Bayerischen Gemeindetages (BayGT), Kreisverband Mühldorf am Inn, in Zangberg. Abseits gesetzlicher Verpflichtungen bietet die „sinnvolle“ digitale Transformation der Verwaltungen den Kommunen Chancen und jedem Bürger einen Mehrwert, ist der Fachmann überzeugt. Das Ziel: Bürger, Organisationen und Unternehmen sollen bundesweit einheitlich über ihr zentrales „Servicekonto“ elementare Behördenleistungen allerorts rund um die Uhr gesichert abrufen können.

Die Befunde widersprechen sich. Laut einer repräsentativen Befragung von kommunalen Führungskräften mit Personalverantwortung durch die „Gesellschaft für Konsumforschung (GfK SE)“ im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im September 2017 nutzen immer mehr Kommunen das digitale Instrumentarium, um ihre Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge wahrzunehmen – sowohl in der öffentlichen Verwaltung, als auch in den Handlungsfeldern Bildung, Mobilität, Energie und Gesundheit. 85 Prozent der befragten Städte und Gemeinden hielten eine Digitalisierungsstrategie für sinnvoll, rund 60 Prozent planten, entwickelten oder hatten bereits eine Strategie für den digitalen Wandel. 97 Prozent sahen den Schwerpunkt der Digitalisierung in ihrem „Kerngeschäft“, der öffentlichen Verwaltung. Im September 2018 kam der Digitalverband Bitkom hingegen zu dem Ergebnis, die rund 11.000 Kommunen in der Bundesrepublik ließen noch zu viele Chancen ungenutzt, hinkten im Vergleich zu anderen europäischen Staaten teils deutlich hinterher. Im September 2019 werden wiederum im Zusammenhang mit dem Breitband- und Mobilfunkausbau sowie der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse unter den Stichworten „Smart Cities“ und „Smart Regions“ Konzepte und Maßnahmen einer integrierten, nachhaltigen und digital geprägten Stadt- und Regionalentwicklung diskutiert. Beispielsweise veranschaulichte die Netzwerkveranstaltung „SmartCity – Chancen der Digitalisierung für Rosenheim“ Ende Juli im Digitalen Gründerzentrum (DGZ) „Stellwerk 18“ das Thema auch den hiesigen Stadträten. Dabei ist allein der angestrebte „Behördengang 24/7“ vielerorts noch Wunschdenken.

Die Erwartungen sind hoch: Die Digitalisierung der Verwaltungsleistungen soll einerseits Warteschlangen auf Ämtern vermeiden helfen, wiederkehrende Tätigkeiten automatisieren, Sachbearbeitern die Konzentration auf fachlich anspruchsvolle Aufgaben ermöglichen und den Datenaustausch gemäß dem „Once-Only-Prinzip“ befördern, andererseits Bürgern und Unternehmen nutzerfreundliche und datenschutzkonforme elektronische Lösungen zeit- und ortsunabhängig bereitstellen. Die digitale Transformation verlangt allerdings von Bund, Ländern und Kommunen umfangreiche Umstrukturierungen: Die Fachverfahren der Verwaltung müssen mit möglichst standardisierten digitalen Schnittstellen versehen werden, die Dienste sollen nach den Lebenslagen der Bürger und den Geschäftslagen der Unternehmen über Portale organisiert werden sowie via Webbrowser und Apps auf mobilen Endgeräten oder in Form von Machine-to-Machine-Schnittstellen sicher nutzbar sein.

Gesetzliche Anforderungen

Der Weg zum „digitalen Rathaus“ ist zugleich rechtlich vorgezeichnet. So hat laut dem „Gesetz über die elektronische Verwaltung in Bayern (Bayerisches E-Government-Gesetz – BayEGovG)“ jeder das Recht, elektronisch über das Internet mit den Behörden kommunizieren und deren Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, die betreffenden Verfahren auch weiterhin offline zu erledigen. Für die Kommunen erwachsen daraus Aufgaben, die teils zum 1. Januar 2020 umgesetzt sein müssen – beispielsweise die Nutzung verschlüsselter Kommunikation und der eID-Funktion des neuen Personalausweises (electronic Identity) sowie der elektronische Zahlungsverkehr (E-Payment), ab 18. April 2020 die Verarbeitung elektronischer Rechnungen (E-Rechnungen).

Daneben werden die Kommunen über das „Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG)“ verpflichtet, ihre Verwaltungsdienste bis Ende 2022 online anzubieten. Zur Orientierung systematisiert ein OZG-Umsetzungskatalog aus dem Leistungskatalog (LeiKa) öffentlicher Verwaltungen 575 Dienste nach Lebens- und Geschäftslagen sowie Querschnittsthemen. Für Bürgerinnen und Bürger relevant sind die acht Bereiche „Familie und Kind“, „Arbeit“, „Bauen und Wohnen“, „Engagement und Hobby“, „Mobilität und Reisen“, „Gesundheit“, „Recht und Ordnung“ sowie „Ein- und Auswanderung“, für Unternehmen die sieben Bereiche „Unternehmensführung und -entwicklung“, „Steuern und Zoll“, „Forschung und Förderung“, „Logistik und Transport“, „Umwelt“, „Bauen und Immobilien“ sowie „Recht und Ordnung“.

Die eIDAS-Verordnung der Europäischen Union zu elektronischen Identifizierungs-, Authentifizierungs- und Vertrauensdiensten definiert zudem „Vertrauensniveaus“: Ein „niedriges“ Vertrauensniveau wird etwa durch die Notwendigkeit zur Angabe von Benutzername und Passwort erreicht, ein „substanzielles“ Niveau mittels fortgeschrittener Signatur oder Transaktionsnummer-Verfahren (TAN), ein „hohes“ Vertrauensniveau beispielsweise durch einen elektronischen Identitätsnachweis. Laut fachlicher Einschätzung der publicplan GmbH, die öffentliche Verwaltungen bei der Realisierung komplexer E-Government-Vorhaben unterstützt, verlangen künftig bis zu 80 Prozent der OZG-Leistungen ein „substanzielles“ Vertrauensniveau, also etwa einen nPA.

Basisdienste für das digitale Rathaus

Der Freistaat Bayern stellt den bayerischen Kommunen E-Government-Basisdienste betriebskostenfrei und dauerhaft zur Verfügung, darunter via „BayernID“ das persönliche Servicekonto, dann den Postkorb für sichere Kommunikation sowie E-Payment für elektronisches Bezahlen im Internet. Die Kernkomponente „Servicekonto“ dient der sicheren Speicherung und Verwaltung der eigenen digitalen Identität, ist erforderlich für den elektronischen Austausch mit Behörden und seit dem 20. September nun bundesweit verfügbar.

Beim Einsatz der nötigen Informationstechnologie werden die bayerischen Kommunen von der AKDB unterstützt, einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung in der Trägerschaft der kommunalen Spitzenverbände in Bayern. Sie bietet über 80 Dienste an – von der Geburts-, Heirats-/Lebenspartnerschafts- und Sterbeurkunde über Meldebescheinigungen und i-Kfz bis hin zur Statusabfrage bei Bauanträgen und der Gewerbeanmeldung. Zweck: Verwaltungsdienste dort anbieten, wo sie erwartet und nachgefragt werden – ob stationär am Terminal im Bürgerbüro, mobil über das Bürgerservice-Portal oder via Bürgerservice-App auf dem Smartphone.

Herausforderungen für die Kommunen

Derzeit stehen die Kommunen laut Martin Montag vor zwei großen Herausforderungen: der Umsetzung des OZG einerseits und der Implementierung des elektronischen Rechnungswesens andererseits. Mühldorfs BayGT-Vorsitzender Dr. Karl Dürner, Bürgermeister der Gemeinde Schwindegg, nennt weitere Herausforderungen: die Zweigleisigkeit von analoger und elektronischer Verwaltung, das Erfordernis von IT-Spezialisten und die interkommunale Zusammenarbeit.

AKDB-Regionalleiter Montag sieht die Kommunalverwaltungen zudem im Spannungsfeld zwischen Effizienzgebot, Haushalt und IT-Sicherheit. So zählten zu den Risiko- und Gefahrenquellen intern beispielsweise Brände, Stromausfälle, Serverplattencrashs und menschliche Fehler, extern etwa Bedrohungen durch Schadsoftware wie Ransomeware, wobei allein das AKDB-Rechenzentrum täglich rund 2000 Attacken abwehre. Montag empfiehlt deshalb den Bürgermeistern, bei der Digitalisierung der Standardverfahren einen Schritt nach dem anderen zu setzen. Der Bürgerdialog hingegen lasse sich nicht digitalisieren.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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