Kassengesetz „für mehr Steuergerechtigkeit“: Widerstand gegen „bürokratischen Aufwand“
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Kassengesetz „für mehr Steuergerechtigkeit“: Widerstand gegen „bürokratischen Aufwand“

Berlin — Sinnlose Zettelwirtschaft und Umweltbelastung kritisieren die Gegner, erforderliches Mittel gegen milliardenschweren Steuerbetrug erwidern die Befürworter: Das seit Jahresbeginn geltende „Kassengesetz“ entzweit die Gemüter. Nach dem „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ müssen steuerrelevante Vorgänge täglich einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufgezeichnet werden. Mit elektronischen Aufzeichungssystemen erfasste Geschäftsvorfälle sind nunmehr durch eine „zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung“ vor Manipulation zu schützen. Und den am Geschäftsvorfall Beteiligten ist hierüber unaufgefordert ein Beleg auszustellen.

In der Praxis geschieht dies oftmals in Papierform. Die „Kassen-Nachschau“ erlaubt der Finanzbehörde zudem, unangekündigt die Umsetzung zu überprüfen. Auf Widerstand stößt indes die „Bonpflicht“, für die das Gesetz aber eine Ausnahme nennt: Die Finanzbehörden können Steuerpflichtige aus Zumutbarkeitsgründen beim Barverkauf von Waren an eine Vielzahl von unbekannten Personen von der Pflicht zur Einzelaufzeichnung befreien.

Seit Jahresbeginn müssen Händler mit elektronischen oder computergestützten Kassensystemen ihren Kunden bei jedem Kauf unaufgefordert einen Beleg aushändigen. Der Beleg kann elektronisch oder in Papierform ausgestellt werden. Das Ausstellen des Belegs muss in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsvorgang erfolgen, besagt das „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ vom 22. Dezember 2016, das sogenannte „Kassengesetz“ (BGBl 2016 I S. 3152). Die hierin konkretisierte „Belegausgabepflicht“ ist eine von mehreren Maßnahmen, mit denen der Gesetzgeber Steuerbetrug einen Riegel vorschieben will. So müssen jene, die „aufzeichnungspflichtige Geschäftsvorfälle“ digital erfassen, diese auch durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtungen schützen. Die digitalen Aufzeichnungen sind überdies zu sichern und für Nachschauen und Prüfungen verfügbar zu halten. Amtsträger der Finanzbehörde dürfen nun ohne vorherige Ankündigung und außerhalb einer Außenprüfung Sachverhältnisse klären, die für die Besteuerung erheblich sein können. Allerdings dürfen die Nachschauen und Prüfungen nur während der üblichen Geschäfts- und Arbeitszeiten auf den Geschäftsgrundstücken und in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen stattfinden. Wer im Ergebnis vorsätzlich oder leichtfertig gegen die Ordnungsvorschrift für die Buchführung und für Aufzeichnungen mittels elektronischer Aufzeichnugngssysteme verstößt, handelt ordnungswidrig und kann mit Geldbuße belegt werden.

Die im Kassengesetz genannte Ausnahme zur Befreiung von der „Belegausgabepflicht“ aus Zumutbarkeitsgründen ist nach Aussage des Bundesministeriums der Finanzen eher eng vom zuständigen Finanzamt auszulegen. Daumenregel in der Finanzbehörde: Dreh- und Angelpunkt ist stets, ob der betreffende Händler Geschäftsvorfälle mit Hilfe eines elektronischen Kassensystems erfasst oder sogenannte offene Ladenkassen wie eine Schublade mit Geldfächern nutzt. Für letzteres Verfahren ändert sich durch das Kassengesetz hinsichtlich der Aufzeichnungspflichten nichts, obschon auch diese Kassenarten zum Gegenstand einer Kassennachschau werden können. Während demnach ein Festzeltbetreiber, der zum Verkauf von Maßbier ein elektronisches Kassensystem einsetzt, belegausgabepflichtig ist, bleibt ein fliegender Würstchen-Händler mit offener Ladenkasse davon ausgenommen.

KMU kritisieren „Bonpflicht“

Obschon Belege über Geschäftsvorfälle in elektronischer Form ausgestellt werden können, etwa als E-Mail, werden sie üblicherweise in Papierform ausgehändigt. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sehen daher in der „Belegausgabepflicht“ eine erhebliche Belastung. Laut Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, wird KMU sogar pauschal kriminelle Energie unterstellt. Um dieser Unterstellung zu begegnen, müssten KMU „einen unglaublichen bürokratischen Aufwand“ betreiben. Beispiel: In einem mittelständischen Bäckereibetrieb mit etwa 660 Filialen würde sich die Zahl der erforderlichen Bonrollen von derzeit etwa 4150 auf rund 72.500 erhöhen. Die Kosten für den Mehrbedarf stiegen damit von rund 3000 Euro auf 53.650 Euro. Hinzu kämen die Installationskosten für die neuen Aufzeichungssysteme in Höhe von 200.000 Euro. Die Umweltbilanz des Betriebes wäre damit verheerend, erläutert Steiger.

Dem Handelsforschungsinstitut EHI zufolge dürften durch die „Bonpflicht“ bundesweit mehr als zwei Millionen Kilometer zusätzliches Papier im Jahr verbraucht werden. Das entspreche rund 8500 Fichten, die zusätzlich gefällt werden müssten, obgleich die Kunden – im Gegensatz zu Ländern wie Italien – keine Bons mitnehmen müssen. Aus diesem Grund will die Freie Apothekerschaft mit Sitz in Herxheim, Rheinland-Pfalz, eine Petition gegen die „Bonpflicht“ beim Bundestag einreichen: „Wir reden über Umweltschutz und produzieren hier Milliarden von Bons, die teilweise als Sondermüll entsorgt werden müssen“, erklärt Vorstandsmitglied Reinhard Rokitta.

Digitale Alternativen zum Kassenbon

Bargeldloses Bezahlen funktioniert beispielsweise über Girocard, Paypal, Google Pay oder Apple Pay. Kontaktloses Bezahlen kleinerer Beträge ohne PIN-Eingabe ist zudem möglich. Diese Bezahlverfahren setzen jedoch ein entsprechend ausgerüstetes Kassensystem voraus. Und Apps, die eine Installation auf dem Smartphone voraussetzen und ihrerseits Daten sammeln, haben bei bestehender Marktreife noch keine Verbreitung gefunden. Mehr Information zum Kassengesetz ist online abrufbar unter bundesfinanzministerium.de.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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