vbw will ländlichen Raum gestärkt sehen – Kathrein: „Vorhandene Potenziale sind auszuschöpfen“
Die „Region 18“ ist gut aufgestellt, doch für die Zukunft seien „noch massive Hausaufgaben zu bewältigen“, sagte Stefan Neumann (r.), Vorstandsmitglied der vbw-Bezirksgruppe München-Oberbayern, bei der Vorstellung der vbw-Analyse mit vbw-Vorstandsmitglied Anton Kathrein (l.) und Rosenheims Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer (M.). Foto: Olaf Konstantin Krueger
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vbw will ländlichen Raum gestärkt sehen – Kathrein: „Vorhandene Potenziale sind auszuschöpfen“

Rosenheim – „Der ländliche Raum muss Wirtschafts-, Wohn- und Kulturort bleiben“, appelliert Anton Kathrein bei der Vorstellung einer Analyse der „vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.“ über Chancen und Herausforderungen für den ländlichen Raum in Oberbayern. Im Blickfeld: demografischer Wandel und Migration, Fachkräftesicherung, Infrastruktur, Gesundheitsversorgung, Digitalisierung, Tourismus. Fazit vom vbw-Vorstandsmitglied und Vorstandsvorsitzenden der Kathrein SE: Die Politik müsse ihrem Auftrag nach gleichwertigen Lebensverhältnissen und Arbeitsbedingungen nachkommen. Im Rahmen der kommunalen Daseinsvorsorge sei eine zukunftsfähige Infrastruktur bereitzustellen.

Bayern ist zu 85 Prozent durch ländliche Räume geprägt. Acht Millionen Menschen haben hier ihren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt, mithin 60 Prozent der Gesamtbevölkerung des Freistaates. Zwei von drei Industriebeschäftigten arbeiten im ländlichen Raum. Unter den hier ansässigen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) befinden sich „Hidden Champions“ – Marktführer in einem bestimmten Segment –, unter den Konzernen „Global Player“ mit hoher Wertschöpfung. Dörfer, Kulturlandschaft und naturräumliche Gegebenheiten tragen entscheidend zum Erscheinungsbild Bayerns und seiner Regierungsbezirke bei. Die vbw-Analyse „Ländlicher Raum – zukünftige Herausforderungen“ fokussiert auf die Chancen und Herausforderungen in Oberbayern und formuliert Handlungsfelder für Politik und Wirtschaft.

Demografischer Wandel und Fachkräftesicherung

Bei aller Abweichung im Detail prognostiziert das Bayerische Landesamt für Statistik einen Gesamtanstieg der Bevölkerung Bayerns von 12,9 Millionen Menschen Ende 2016 auf knapp 13,5 Millionen im Jahr 2036: ein Plus von 4,2 Prozent. Im Regierungsbezirk Oberbayern ergäbe sich in diesen zwanzig Jahren ein Bevölkerungszuwachs von 4,6 auf knapp 5,1 Millionen (9,9 Prozent). Die Region Südostoberbayern verzeichne ein Plus von 5,4 Prozent – darunter der Landkreis Mühldorf von 7,7 Prozent, der Landkreis Rosenheim von 7,6 Prozent, die kreisfreie Stadt Rosenheim von 4,5 Prozent, der Landkreis Traunstein von 4,9 Prozent und der Landkreis Berchtesgadener Land von 3,1 Prozent. Bayernweit werde der Anteil der über 65-Jährigen von 33 Prozent im Jahr 2016 auf rund 48 Prozent im Jahr 2036 steigen, in Oberbayern von 31,3 auf 41,5 Prozent. In Südostoberbayern sollen dann 52 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sein.

Während laut vbw-Analyse Metropolregionen durchgängig eine „positive Prognose“ hätten und als „Gewinner“ des demografischen Wandels gelten könnten, würden ländliche Räume und kreisfreie Städte ohne Anschluss an eine Metropolregion schrumpfen. Über alle Branchen und Qualifikationsniveaus hinweg sinke die Zahl der Erwerbstätigen. „Das hat Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Fachkräften und führt in manchen oberbayerischen Unternehmen schon heute zu Einschränkungen in der Produktion“, erläutert vbw-Vorstandsmitglied Kathrein.

Dieser Entwickung sollte mit drei Maßnahmen begegnet werden: Erstens müsse die Erwerbstätigkeit von Frauen deutlich gesteigert werden, vor allem durch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf dank mehr Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen, zweitens müsse statt der Rente mit 63 Jahren die Rente mit 67 „konsequent“ umgesetzt werden, drittens sollen ausländische Fachkräfte „gezielt“ in die ländlich geprägten Regionen wandern.

Infrastruktur und Gesundheitsversorgung

Bei der Aufrechterhaltung und Qualitätssicherung der technischen und sozialen Infrastruktur sieht der vbw den Staat in der Pflicht, Steuergelder sowohl effizient als auch zum größtmöglichen Nutzen adäquat in ganz Bayern einzusetzen. Hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur brauche der Industriestandort etwa die dritte Start- und Landebahn am Flughafen München, den durchgängig dreispurigen Ausbau der A8 in beiden Fahrtrichtungen von München bis Salzburg, eine Ertüchtigung der A94 von München nach Mühldorf und Passau, die Bahntrassenfestlegung beim Brennernordzulauf von München nach Kiefersfelden, den zweispurigen Ausbau inklusive Elektrifizierung der Bahnstrecke ABS 38 München/Mühldorf/Chemiedreieck/Freilassing sowie flexible Verkehrskonzepte mit Car- und Bike-Sharing, Hol- und Bringdiensten.

Höhere Lebenserwartung und Überalterung im ländlichen Raum führten zu intensiverem Behandlungsaufwand und steigendem Bedarf an Ärzten und Pflegepersonal. Die Situation bei diesen Fachkräften sei bereits heute „brenzlig“, sagt Kathrein. In Mühldorf etwa seien 27 der 45 niedergelassenen Hausärzte über 60 Jahre alt. Deswegen plädiert der vbw für zusätzliche Maßnahmen der Deregulierung: Niederlassungsbeschränkungen sollen schrittweise durch ein Recht zur freien Berufsausübung abgelöst werden, telemedizinische Anwendungen sollen Einzug halten, ebenso Hausbesuche von Krankenpflegern und diagnostische Big Data-Technologien im klinischen Bereich.

Digitalisierung und Tourismus

Dank der seit 2013 laufenden Breitbandoffensive der Staatsregierung verfügten inzwischen knapp drei Viertel der oberbayerischen Haushalte über schnelles Internet mit mehr als 50 Megabit pro Sekunde. Gleichwohl zeigten sich im Mobilfunkbereich weiße Flecken: Im Süden des Landkreises Altötting, im Süden des Landkreises Rosenheim sowie in den Landkreisen Traunstein und Berchtesgadener Land seien Telefonie oder mobiler Datentransport nur eingeschränkt möglich. Deshalb unterstütze die vbw eine erweiterte, schnelle „Ausbaustrategie“ mit Förderung des flächendeckenden Glasfaserausbaus, des Lückenschlusses in den Mobilfunknetzen und des Ausbaus des 5G-Mobilfunknetzes.

Touristische Alleinstellungsmerkmale schätzten neben den Reisenden auch die Ortsansässigen. In Südostoberbayern seien laut vbw die Tourismusregionen Inn-Salzach, Chiemgau, Chiemsee-Alpenland und Berchtesgadener Land „Highlights“. Der flächendeckende analoge und digitale Infrastrukturausbau erhöhe zusätzlich die Attraktivität des ländlichen Raumes, fördere Wirtschaft und Tourismus und bilde die Grundlage für den Zuzug der nötigen Fachkräfte. Schlussfolgerung: Die Potenziale des ländlichen Raumes müssten ausgeschöpft werden.

Wirtschaftsraum Rosenheim

In Ergänzung zur vbw-Analyse stellt Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer heraus, dass Rosenheims Einbindung in die Europäische Metropolregion München ein entscheidender Standortvorteil sei: „Wir profitieren von einer Schienenanbindung, die uns schneller zum Ost- oder Hauptbahnhof bringt als das von vielen Haltepunkten im Münchener S-Bahn-Netz aus möglich ist.“ Die kreisfreie Stadt könne zudem mit flächendeckendem Breitband punkten, das mit 400 Megabit und bis zu 10 Gigabit für Geschäftskunden zu den schnellsten Datennetzen in der Bundesrepublik Deutschland zählte. Kontinuierliche Investitionen in sämtliche kommunale und soziale Infrastrukturen seien „von entscheidender Bedeutung“, so die CSU-Politikerin.

Dr. Olaf Konstantin Krueger

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